U-Boote im II Weltkrieg und deren Verbleib
Der Fall Rahmlow oder

Die Geschichte von U570


27. August 1941 Mittag 13.00 Uhr.
An diesem Tag nimmt ein Ereignis seinen Anfang, in dessen Folge erstmalig ein deutsches U-Boot in voll funktionsfähigem Zustand in die Hände der Briten fallen sollte was im weiteren Kriegsverlauf noch vielen anderen deutschen Booten zum Verhängnis werden wird.

U 570 stand etwa 80 Seemeilen südlich vor Island und lief in 40 m Tiefe. Kptlt. Hans-Joachim Rahmlow ließ auf Sehrohrtiefe gehen um einen Rundblick zu nehmen. Die Dünung war aber deart unruhig, daß eine Fahrt in Sehrohrtiefe nicht möglich war. Kptlt. Rahmlow ließ daher anblasen und auftauchen. Und das in einem Seegebiet, daß bekanntermaßen ständig von britischen Flugzeugen patroulliert wurde.
Genau in diesem Augenblick fliegt ein britischer Hudson-Bomber des Küstenkommandos in etwa 1000 m Höhe über die Stelle an der U 570 an die Wasseroberfläche kommt. Der Beobachter in der Kanzel entdeckt das Boot sofort und gibt dem Piloten, Major J. A. Thompson, ein Zeichen. Dieser läßt die Maschine sofort mit aufheulenden Motoren nach unten stürzen und klinkte bei ca. 30 m vier 115-Kilo-Wasserbomben aus. Kaum war das Boot oben und die Brückenwache aufgezogen brüllte der Obersteuermann in den Turm "Alarm - Fluten". Das Boot geht sofort wieder auf Tiefe - doch zu spät.
Die Hudson hatte ihre Wabos genau neben U 570 platziert, das gerade erst in 14 m Tiefe ist .
Eine Wahnsinnsdetonation zerreißt den größten Teil der Batteriezellen, die E-Maschine fällt aus und nahezu alle Meßgeräte zerspringen. Das Licht geht aus. Das Boot sackt sofort ab, wie tief kann keiner mehr feststellen, denn die Tiefenanzeige war unklar. Aus dem Heck wird Wassereinbruch gemeldet (Das erweist sich später als Irrtum- es waren nur zertrümmerte Meßgeräte). Durch einige Leckagen im Vorschiff dringt aber doch Wasser ins Boot und die Gefahr der Chlorgasbildung wird akut, wenn Seewasser mit Batteriesäure in Berührung kommt.
Das Boot geht mit starker Vorlastigkeit in die Tiefe und kann mit den Tiefenrudern nicht abgefangen werden.
"Alle Mann achteraus" brüllt der LI und läßt gleichzeitig die vordere Tauchzelle 5 anblasen. Das Boot bleibt stehen.

Doch was passiert jetzt?

Ein erfahrener Kommandant wie Prien, Kretzschmer, Topp oder andere hätte jetzt Ruhe ins Boot gebracht und versucht das Boot weiter auf Tiefe zu halten bis die Maschine die weitere Suche aufgeben würde.
Doch Kptlt. Rahmlow (der sich auf seiner ersten Feindfahrt als Kommandant befand) läßt sofort alle Tauchzellen anblasen und das Boot schießt wie ein Gummiball an die Oberfläche. Das Boot trieb nun antriebslos in der Dünung.

Die britische Maschine hatte aber alle Ihre Wabos schon abgeworfen und griff nun von achtern kommend aus allen Rohren feuernd das hilflose Boot an. Über 2000 Schuß wurden auf das Boot abgefeuert. Ein Teil der Besatzung von U570 war bereits an Oberdeck gekommen und versuchte die 2 cm-Flak klarzumachen um Gegenwehr zu leisten. Sie schafften es nicht und mußten ständig hinter dem Turm in Deckung gehen. Etwa ein halbes Duzend Leute wurden verletzt.
Der Kommandant ließ rote Leuchtsterne abfeuern um dem Flugzeug die Wehrlosigkeit des Bootes zu signalisieren. Die Maschine stellte auch sofort das Feuer ein, umkreiste das Boot und funkte nach Verstärkung. In der Zwischenzeit wurde auf U 570 eine weiße Flagge geschwenkt. (Kptlt. Rahmlow sagt später, dies wäre ohne sein Wissen passiert und er hätte sofort Befehl gegeben die weiße Fahne einzuholen.)
Zwischenzeitlich machte sich der LI mit einigen Leuten an die Reparaturabeiten und Sie schafften es sogar, die E-Anlage in Gang zu setzen. Das Licht brannte wieder, die Lenzpumpen liefen und auch die Funkanlage war klar. Kptlt. Rahmlow ließ noch einen letzten Funkspruch absetzen und Befahl dann die Zerstörung des Funkgerätes. Er entschließt sich, das Boot zu versenken. Zu diesem Zweck läßt er alle Geheimunterlagen und die Schlüsselmaschine vernichten.
Am späten Nachmittag -es wurde bereits dunkel und die Hudson war durch ein Catalina-Flugboot der 209 Staffel abgelös worden- erscheint eine britische Korvette am Horziont - es war die "Northern Chief". Jetzt hätte versenkt werden müssen, und die Vorbereitungen sollten getroffen werden.
Doches kam ganz anders:
Auf der Korvette wurde ein Klappbuchs-Signal gesichtet und der britische Kapitän befahl, ein helles Licht zu setzen. In der Nacht wurden auf U570 alle vernichtet, was zu vernichten war; Seekarten; Artilleriemunition; Gefechtsköpfe und Torpedos. Das meiste wurde über Bord geworfen. Aber warum wurde nicht versenkt. Die Drohung der Korvette, beim ersten Anzeichen der Selbstversenkung sofort das Feuer zu eröffnen und keinen zu retten, was ernst zu nehmen.
Der nächste Morgen, bekann wie es kommen mußte. Es erschienen noch weitere Korvetten und Zerstörer auf der Bildfläche und Treibflöße wurden ausgesetzt in Vorbereitung das U-Boot zu entern. Gegen 8.00 Uhr gab es wohl offensichtlich ein Mißverständnis bei den Briten, denn ein Flugzeug kam an, belegte U570 urplötzlich mit Wabos. Die britische Admiralität wird später behaupten, daß es ein Irrtum des Piloten gewesen ist.
Wenig später versuchten die Zerstörer "Burwell" und "Windermere" U 570 an die Trossen zu nehmen. Drei Versuche mißlangen. Um 10.30 Uhr lag das U-Boot über Bug gefährlich tief im Wasser. Die Engländer befahlen Kptl. Rahmlow etwas dagagen zu unternehmen. Dieser signalisierte aber, daß das Boot nicht zu halten wäre. Da wurde von Bord des Zerstörers plötzlich geschossen und wiederum vier Mann zum Teil schwer getroffen. Was sollte das?


An dieser Stelle muß gesagt werden, daß sich die Aussagen der verschiedenen Beteiligten erheblich widersprechen, was die Reaktion von U 570 auf den Beschuß sowohl der heranfliegenden Maschine am Vortag, als auch auf den erneuten Angriff gewesen ist. Der Funker, Harry Ahlemann, schrieb in einem Brief an Paul Carell, daß Kptlt. Rahmlow bereits Stunden vorher befohlen hatte, ein weißes Bettlaken an der Turmbrüstung von U570 anzubringen. Dieses Bettlaken wurde dann bei dem Zerstörerangriff geschwenkt.
Kptlt. Rahmlow hat nach seiner Rückkehr aus seiner Kriegsgefangenschaft die These von der weißen Flagge energisch zurückgewiesen und seinen Entschluß zur Kapitulation zu rechfertigen versucht.



Unter Deck hatten mittlerweile einige Besatzungsmitglieder den Entschluß gefaßt, die Flutventile zu öffnen um mit dem Boot unterzugehen. Doch dazu war es zu spät, denn um 13.50 Uhr erschienen die ersten bewaffneten Engländer der "Kingston Agate" an Deck. Die Verwundeten wurden zuerst von Bord gebracht. So gegen 16.00 Uhr wurde U 570 über Heck ins Schlepp genommen und die gesamte Besatzung an Bord der Zerstörer gebracht.
Die Schlepptrosse riss zwar drei Stunden später nochmal ab, doch es gelang der "Northern Chief" das U-Boot vor Thorlakshafn auf Island an den Strand zu setzen.
Jetzt war es in britischer Hand !!!


Die ersten Untersuchungen der Briten ergaben, daß der Druckkörper völlig intakt war.
Hier die wichtigsten Ergebnisse:
  • Einer der Treibölbunker hatte ein Loch.
  • Im vorderen Schiffsteil war Wasser festzustellen, das wohl offensichtlich durch die Außenbordverschlüsse oder die Torpedorohre eingedrungen war.
  • Diesel- und E-Maschine liefen, ebenso Kompressoren und Hilfsmaschinen.
  • In der vorderen Batterie waren 21 der 62 Zelle gerissen, in der hinteren 26.
  • Das Licht brannte noch.
  • Das Funkgerät war von der deutschen Besatzung unbrauchbar gemacht worden.
  • Das Horchgerät funktionierte ebenfalls noch.
Die Schadenszusammenfassung im Geheimbericht der britischen Admiralität ist zusammengefasst, daß das Boot insgesamt tauchfähig war und eine einigermaßen eingespielte Besatzung keine Schwierigkeiten gehabt hätte, damit zu tauchen. Warum war U 570 nach dem Angriff der Hudson also nicht getaucht?
Peter E. Cremer genannt 'Ali', ein erfahrener U-Boot-Kommandant des II. Weltkrieges (U152; U333; U2519) schreibt dazu:
"Erfolg und Versagen eines U-Bootes hängen hauptsächlich von der Tüchtigkeit des Kommandanten ab. Rahmlow war 32 Jahre alt. Trotz seiner 13 Dienstjahre in der Marine ist er erst kürzlich zur U-Boot-Waffe kommandiert worden. Sein erstes U-Boot war ein Lehrboot in der Ostsee und sein zweites U 570.
So befanden er und sein Schiff sich auf der ersten Feindfahrt. Er hätte das Vertrauen seiner Besatzunghaben müssen; denn, obgleich er etwas von einem scharfen Vorgesetzten an sich hatte, war er nicht unbeliebt. Obgleich er unvorsichtigerweise auftauchte, ohne sich vorher (durchs Sehrohr) umgesehen zu haben, ließ er sofort Alarmtauchen, als die Wasserbomben der Hudson explodierten. Ein kühner und resoluter Kommandant würde die Panik beigelegt und die Eroberung seines Schiffes verhindert haben. R. ergab sich."
Soweit Ali Cremer über Hans-Joachim Rahmlow.

Für die Briten war U 570 ein Geschenk. Es wurde nach England geschleppt und buchstäblich bis auf die letzte Schraube untersucht. Alle Einheiten des Bootes wurden auf Ihre Funktionalität geprüft. Am interessantesten für die englischen Schiffsbauingenieure war natürlich der Druckkörper und hierbei stellten Sie fest, daß die Deutschen den bis dahin stärksten bekannten Druckkörper gebaut hatten, der aus 20,5 Millimeter dicken Stahlplatten bestand, elektrisch geschweißt war und einem Wasserdruck von 15 Atü in 15o Meter Tiefe aushalten konnte (in der Praxis waren es sogar noch mehr). Von dieser Erkenntnis war die englische Admiralität total überrascht denn bisher wurde angenommen, daß deutsche Boote zwischen 90 und 100 m tief tauchen konnten.
Dementsprechend waren auch die Zünder der WaBos eingestellt.
Schleunigst ließen Sie die Zünder aller Ihrer WaBos anpassen, so daß diese jetzt auch auf Tauchtiefen über 200 m eingestellt werden konnten.

Im Sepember 1942 stellten die Engländer das wiederhergestellte Boot unter dem neuen Namen H.M.S. "Graph" in Dienst und es lief am 8. Oktober 1942 unter einem erfahrenen Kommandanten zu seiner ersten Feindfahrt in die Biscaya aus. Es wurde dort erfolgreich als U-Boot-Falle eingesetzt um heimkehrenden deutschen Booten vorzugaukeln, sie hätten einen Kameraden vor sich, der sie dann plötzlich mit einer Torpedoladung begrüßt.
Am 21. Oktober traf es auf das heimkehrende schwerstbeschädigte U 333, dessen Kommandant 'Ali' Cremer verwundet in seiner Koje lag. "Graph" feuerte einen Viererfächer ab, der aber glücklicherweise rechtzeitig gesehen wurde und U 333 entkam.


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