Chromium Bar        SF-Stories        Home

  Dunbar war eine Stadt, die sich zu erinnern versuchte, als sie erkannte, dass sie nicht mehr sie selbst war. Wie eine Wucherung breitete sich das Kybernetische Institut neben dem Platz der menschlichen Einsicht aus, auf dem seit einigen Tagen Robotpolizisten patroullierten.

  Im Künstlerviertel Aznavour gingen die Laternen an. Yari Vinigrette kehrte von seinem Streifzug durch die Stadt zurück und setzte sich vor der Chromium Bar an einen Tisch. Er war ein kleiner unauffälliger Mann. Mit weit geöffneten Augen blickte er um sich. Er hatte einen erstaunten, oft bekümmerten Ausdruck im Gesicht.
  Eine der Kellnerinnen brachte seinen Absinth und ging. Vinigrette sah, wie sie sich mit ihren Kolleginnen unterhielt, lachte. Mit ihren flachen Schuhen, strammen Waden, grünen Schürzen, durchgedrückten Rücken, ihren schnellen und sicheren Bewegungen schienen sie sich nicht bewusst, wie die Stadt sich um sie herum veränderte, und Vinigrette fragte sich, wieso fiel es ihm so schwer, beides zu akzeptieren?
  Sie standen im Dunbar-Anzeiger: Vinigrettes Impressionen. Jeden Tag. Als Journalist und Poet spürte er Oasen der Stadt auf, die ein Stück Vergangenheit konservierten, und er versuchte Dunbar die Erinnerung an sich selbst zurückzu- geben. Er durchstreifte Markthallen, stillgelegte Fabriken, den alten Bahnhof, den Hafen mit seinen Kai-Anlagen und verrotteten Kränen. Sein Augenimplantat nahm die Eindrücke auf, sandte sie an den Computer in seiner Wohnung, in der er des Nachts seine Artikel schrieb.
Der Hafen. Vinigrette dachte an den einsamen Angler auf dem hölzernen Ponton.
  "Immer derselbe Fisch, den ich angle." Der Angler hatte den Barsch zum wiederholten Male zurückgesetzt. Vinigrettes Gedicht vom Angler und dem Fisch, der sich immer wieder angeln ließ, um seiner Einsamkeit zu entgehen, wurde stadtbekannt.
  

Soweit die Leseprobe. Weiteres in der Anthologie 'Deus Ex Machina'

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