Anneliese Knorr 

Das Musiktheater Gelsenkirchen


(Zusammenspiel von Kunst und Architektur: Werner Ruhnaus "Gesamtkunstwerk Theater")

"Es lebe die europäische Situation, es lebe das Theater in Gelsenkirchen!" Was Yves Klein Ende der fünfziger Jahre in einen Briefen an den federführenden Architekten des neuen Theaters, Werner Ruhnau, emphatisch zum Ausdruck brachte, liest sich heute wie ein Manifest. Und es ist auch eines, denn die mutige Entscheidung der Politiker und Kulturverantwortlichen in Gelsenkirchen für ein Theater avantgardistischen Zuschnitts erregte internationales Aufsehen. Ein Bauwerk war entstanden, das zum ersten Mal kompromißlos und schlüssig die ideale Übereinkunft von Architektur und bildender Kunst vorführte. 

Hier verstand sich der bildende Künstler nicht mehr als "Dekorateur fertiger Architektur" (Werner Ruhnau bei der Eröffnung am 15.12.1959), sondern als gleichgewichtiger Partner des Architekten. Als Ergebnis eines Wettbewerbs, zu dem namhafte Maler und Bildhauer eingeladen wurden, fiel die Wahl auf den Franzosen Yves Klein, den Schweizer Jean Tinguely, den Engländer Robert Adams und die beiden Deutschen Norbert Kricke und Paul Dierkes. Mit dieser Auswahl stand dem Architekten eine experimentierfreudige Gruppe zur Verfügung. In der Folgezeit wurden die Künstler voll in den Bauprozeß einbezogen.

      Foyer de l'Opera di Gelsenkirchen, 1959

So arbeitete Yves Klein monatelang mit den Malern und Stukkateuren auf dem Gerüst, da der strukturelle Untergrund seiner blauen Bilder direkt auf die Wand gebracht werden sollte. Paul Dierkes besprach sich beispielsweise laufend mit den Lichttechnikern, um eine höchstmögliche Effektivität der weißen reliefierten Rotunde zu erreichen.

Wie gut und wichtig die Entscheidung für die fünf ausgewählten Künstler war, läßt sich in vollem Umfang erst heute in einem Zeitabstand von 36 Jahren beurteilen. Aber auch damals war die Resonanz überwältigend. Namhafte europäische Architekten, Theaterleute und Künstler pilgerten nach Gelsenkirchen, um sich Anregungen zu holen.

Yves Klein, 1928 in Nizza geboren, war ein universaler Geist, der in der Kunst neue Maßstäbe setzte. Er entdeckte die Monochromie als elementaren Kunstbegriff, und er gründete mit Ruhnau die "Schule der Sensibilität". Vor allem die geistige Beziehung des Malers zu der Farbe Blau, dargestellt als leuchtendes Ultramarin, veranlaßten ihn zu einem kompromißlosen Eintreten für einheitliche blaue Strukturtafeln und Schwammreliefs im Großen Haus. "Die schönsten Reliefs der Gegenwart" bemerkte der Kunstkritiker Helmuth de Haas.

Zwei verschiedene Aspekte von Bewegung verwirklichten Jean Tinguely und Norbert Kricke. Adäquat zur Variabilität der Studiobühne im Kleinen Haus schuf der 1925 in Fribourg geborene Plastiker Tinguely Mobiles für die gegenüberliegenden Wände des Foyers. Er entwarf ein unaufdringlich leises, sich langsam veränderndes Mouvement, das von einem Motor sowie durch ein System von Zahnrädern getrieben wird und unendliche Konstellationen zuläßt. Tinguely, Freund und Weggenosse Yves Kleins, stellte damit die Verbindung zum Thema "Kinetik und Architektur" her, das damals heiß diskutiert wurde.


Yves KLEIN

Yves KleinStabilito che... (manifesto dell’Hotel Chelsea 1961)

Yves Klein, Werner RuhnauProgetto per un’architettura dell’aria (1958)

Yves Klein, Werner RuhnauProjet pour une architecture de l’air (1958)

Yves KleinEx-voto pour Sainte Rita de Cascia

Yves Klein:  Le Vide

Mariëtte van Stralen - Bart Lootsma: 'Occupation: Leisure!'

André VerdetPoem to Yves Klein (may 1962)

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