Grabeskirche des hl. Petrus - Sinn und Bedeutungswandel

Vor 500 Jahren,  am 18. April 1506, legte Papst Julius II., "il Terribile", den Grundstein für die neue Peterskirche. Das war gleichzeitig das "Nihil Obstat" für eine systematische Zerstörung des alten Baus mit all seinem Innenschmuck an Fresken und Mosaiken. Es war zudem der Auftrag, einen Bau zu errichten, der zwar auch an Petrus erinnern sollte, dem geistlichen Fundament aller Autoritäts- und Machtansprüche der Bischöfe Roms, aber vor allem als das gewaltige Mausoleum des regierenden  Pontifex Maximus den Ruhm Julius II. verewigen würde. Dazu kam es nicht. Der neue Petersdom wurde Symbol der globalen Bedeutung der katholischen Kirche.

Ursprung und Verwicklung

Dieser Dom, in aller Welt ein Symbol päpstlichen Glanzes, kommt von sehr weit her.
An ihren Ursprüngen wird die christliche Gemeinde "der WEG" genannt (Apostelgeschichte 9:2), in einer Zeit der Erinnerung an Jesu Kritik an einer fundamentalistischen Tempelfrömmigkeit, von der "kein Stein auf dem anderen bleiben wird". Das neue Testament besteht in verschiedenen apostolischen Schriften auf dem Primat des geistlichen Baus, dessen Personalsteine aus jedem Getauften geformt sind.


Via Appia


Die konstantinische Wende bringt auch hier etwas revolutionär Neues. Kaiser Konstantin holt das Christentum aus den Katakomben, veranlasst den Bau der ersten öffentlichen "Mehrzweckhallen" (d.h. Basiliken) zwecks Martyrerverehrung  in den Grabesbasiliken und der Gemeindefeier in der Bischofskathedrale. So entstand die Polarität zwischen Kathedrale und Patriarcheion am Lateran und der monumentalen Grabesbasilika (nicht Mausoleum!) am Vatikan. Zu den gelegentlichen Gedenkfeiern am Grab des Petrus begab sich der neue, christliche Pontifex Maximus im Triumphzug von seiner Residenz am Lateran über die antike Via Sacra, verlängert durch die Via papalis, zum Vatikan. Dabei führte sein Triumphritt durch den Titusbogen, dem Mahnmal des Tempeluntergangs. In der Petersbasilika traf er die von ihren Königen und Herzögen angeführten Pilgerströme der Sachsen, Angeln, Friesen und Franken, und anderen, aus allen Ländern der Ökumene herbeigekommenen Wallfahrern, die in Rom die Gräber der Apostel verehren wollten, vor allem die Basilika, die das Grab des Kephas, des Felsen, überdachte. Kaiser Konstantin hatte diese im spätantiken Stile der "circensischen" Grabesbasiliken, die zum Komplex der Grabanlage eines Herrschers gehörten, über der antiken Nekropole, erbauen lassen.

Zu Weihnachten 800 geschah etwas ganz Neues: Der Patriarch des Westens, Nachfolger des Petrus, universaler Bischof der Weltkirche, krönt den Frankenkönig Karl in Opposition zum Ostreich, zum Kaiser des Hl. Römischen (West)Reiches Deutscher Nation,  Senat und Volk von Rom akklamieren. St. Peter wird zum Symbol der beiden Schwerter, des weltlichen und des geistlichen,  des Reichs und des Papstes. Karl der Kahle schenkt dem Papst für die Peterskirche (!) einen mit Elfenbein und Gold besetzten Thron. Kaisersitz wandelt sich in päpstliche Kathedra, die in St. Peter die Kaiserwürde des Hl. Römischen Reiches unter der Autorität des römischen Pontifex symbolisiert. Achthundert Jahre später wird Bernini diese kaiserliche Kathedra in der Apsis des neuen Petersdomes mit vergoldeter Bronze umfassen und von vier bewegten Kirchenlehrern tragen lassen. Der Bischofssitz des Lateran ist übergangen. Die "Papstrevolution", die den Ordo des Kaisertums zweitrangig macht, beginnt mit dem "Dictatus Papae" unter dem Reformator Gregor VII., erringt seinen entscheidenden Schlag gegen das Staufergeschlecht unter Innozenz III., Gregor IX. und Innozenz IV. Seit Innozenz III. gilt: Die Übertragung der Kaiserwürde ist Sache der Kirche. Das findet seinen absolutistische Höhepunkt in Bonifatius VIII. ("Ich bin Caesar"). Die Ausrufung des ersten Heiligen Jahres im Jahre 1300 mit der offiziellen päpstlichen Bulle, die "Zu St. Peter" gegeben ist, nicht mehr im Lateran, wird der Lateran offiziell zweitrangig, so sehr dass Bonifaz der letzte dort residierende Papst ist. Nach ihm kommt das selbstgewählte Exil in Avignon, nach der Rückkehr die Familienpaläste im erschöpften Rom, schliesslich die Übergangsperiode einer Residenz der Renaissancefürsten  im Vatikan. Papst Nikolaus V. entwickelt um 1450 ein ausdrückliches Programm, die päpstliche geistliche und politischen Primatsstellung durch ein modernisierendes Bauprogramm zu untermauern. Im Mittelpunkt steht die totale Renovierung der Peterskirche und ihres direkten Umfeldes. Mit diesem Papst wird St. Peter ausdrücklich und endgültig Papstkirche im Gegensatz zur jetzt zweitrangigen Bischofskirche des Laterans.



Das Rom der Pilger

Michelangelo und des Zentrum des Katholizismus

In dieser neuen kirchlichen Umwelt ist kein Platz mehr für die frühchristliche Grabesbasilika und Wallfahrtskirche. Sie wird abgerissen und seit 1506 durch  den Bau einer "modernen" Kultstruktur ersetzt, die in der Abfolge des folgenden Jahrhunderts mehreren Sinngebungen entsprechen soll und daher in ihrer Vollendung immer wieder herausgezögert, in ihrer Grundform mehrfach umstrukturiert wird. Nachdem das ehrgeizige Projekt Julius II., den gewaltigen Petersdom als sein eigenes Mausoleum zu verwirklichen, gescheitert ist,  wird zeitweilig eine wallfahrtsbezogene Langhauskonstruktion vorgezogen, bis dass Michelangelo wieder  zum Zentralbau zurückkehrt, nicht mehr als Mausoleum eines Kirchenfürsten, sondern als Konzentration auf das einzig Wesentliche der römischen Kirche: das Grab des Fischers Simon, von Christus als Kephas-Fels berufen. Für seine Arbeit will Michelangelo zum ersten Mal in seinem langen Künstlerleben keine Bezahlung, sondern will alles zur Ehre Gottes und des hl. Petrus machen. Die Kuppel ist Inbegriff der Kirche-gründenden Kraft des Gottesgeistes über diesem Felsen.

St. Peter am Abend


Diese Konzentration hat die nachfolgende Generation nicht aushalten können. Ein Langschiff wurde angebaut im Stil einer den antik-römischen Monumentalbauten wie der Maxentiusbasilika nachgeahmten Massenhalle, in deren Apsis nicht mehr das Riesenabbild des Kaisers steht, sondern der  Papst beim Pontifikalamt thront unter der überwältigend dargestellten Kathedra des römischen Bischofs, die erleuchtet ist durch das Licht der Taube des Gottesgeistes. Bei der Fertigstellung des Baus liess der regierende Papst nicht den Namen des hl. Petrus auf der Fassade anbringen, sondern seinen eigenen Namen zentral prangen: Paulus V., der als seine persönlichen Ehrentitel "Borghese" und "Römer" angibt. Der Preis für dieses gewaltige Kult- und Kulturbauwerk ist die Einheit der Christenheit. Die Finanzierung des Projektes geschah auf eine Weise, die mit Martin Luther auch viele andere Christen als nicht evangelisch ansahen. Die Bautätigkeiten gingen unter Michelangelo voran, während das Konzil von Trient die Reform innerhalb der katholischen Kirche in Dekrete fasste und die Grundlagen für die dann beginnende Ausprägung des römischen Katholizismus legte. Dieser fand dann seinen deutlichsten Ausdruck im Barock, in Bernini, dessen Werke seine Familiarität mit der "Anwendung der Sinne" in den geistlichen Exerzitien des Ignatius von Loyola und seiner Jesuiten deutlich machen. Die Innenausstattung des Domes und der Petersplatz atmen diese gefühlsbetonte und schaulustige Hinwendung zur alles einschliessenden Zentralität des Papsttum und des römischen Katholizismus. Auf dem "Weg" zu sein und zu pilgern  ist aufgegangen in der Begeisterung, im allumfassenden, klar gegliederten und zentrierten Rund, auf dem Forum des orbis catholicus dabeizusein.