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Joe Zawinul

"Faces & Places"

Label: ESC-Records
ESC/EFA 03679-2
Veröffentlichungsdatum: 02. September 2002


Wie eine gewaltige Welle kommt Faces & Places daher. Überflutet mit pulsierenden Grooves, eingetaucht in exotische Elemente aus der ganzen Welt, geladen mit improvisatorischen Highlights und einer kräftigen Prise Machismo, also Joe Zawinul pur. Jetzt, mittlerweile im 70sten Lebensjahr angekommen, zeigt der Maestro nicht die kleinste künstlerische Ermüdungserscheinung. Tatsächlich sieht es so aus, als brächte der immer produktive und rastlos kreative Sound-Zauberer und Bandleader seine Virtuosität an den Tasten, seine ausgedehnte, weltumspannende Vision und seine österreichische Seele auf diesem außergewöhnlichen Werk zu 100 Prozent auf den Punkt.

Wieder einmal wird er von einer herausragenden internationalen Besetzung begleitet, bestehend aus den Kameruner Bassisten Richard Bona und Etienne Mbappe, dem unvergleichlichen Schlagzeuger Paco Sery von der Elfenbeinküste, den Nordindern Amit Chatterjee, Gitarre und Gesang, sowie Zakir Hussain an den Tablas, der belgisch-afrikanischen Sängerin Sabine Kabongo, dem peruanischen Perkussionisten Alex Acuña, dem venezulanischen Perkussionisten Rudy Regalado, dem aus Puerto Rico stammenden Perkussionisten Manolo Badrena, der portugiesischen Sängerin Maria João und den Amerikanern Dean Brown an der Gitarre, Victor Bailey am Bass und Bobby Malach am Tenorsaxophon.

Die Perry Sisters  bringen als Gastsängerinnen ihre gospelgeladene Energie ein. So in Joe Zawinuls aufrichtiger Hommage an seinen musikalischen Ziehvater in „The Spirit of Julian C. Adderley“, sowie auf seinem pulsierenden Song „Good Day“. Richard Page von der britischen Popgruppe Mr. Mister leiht seine volle Stimme der wehmütigen Ballade „Familiar To Me“, einem vor 30 Jahren von Zawinul komponierten Stück, das noch nie zuvor aufgenommen wurde.

Faces & Places ist wie eine reichhaltige Zusammenfassung von Zawinuls einmaliger Karriere, die vor ungefähr 50 Jahren in einer Wiener Tanzkapelle begann. Blickt man zurück auf Stücke wie „Orange Lady“ von Miles Davis’ Meilenstein Bitches Brew (1969) sowie „Jungle Book“ von der Weather Report-Aufnahme Mysterious Traveller (1974), „The Man In The Green Shirt“ vom Album Tale Spinnin’ (1975) oder „Madagascar“ von Night Passage (1980), so hat Zawinul in den letzten 40 Jahren immer versucht, Musik zu schreiben, die einen Ort oder das Wesen von Menschen beschreiben möchte. Seine Bemühungen in dieser Richtung drückten sich zunehmend stärker auf seiner Solokeyboard-„Tour de Force“ Dialects im Jahre 1986 aus, der Aufnahme The Immigrants des Zawinul Syndicate aus dem Jahre 1988, dem 96er Werk My People und World Tour  im Jahre 1998. Dies sagt er auch in seinen Anmerkungen zur Dialects-Tour: „Die Kompositionen dieses Albums spiegeln meine Eindrücke der vielen Menschen und Orte, die ich besucht habe, wider, ihre Stimmungen, Lieder, ihr Lachen, ihre Tänze; die visuellen und akustischen Eindrücke des Alltags, von dem ich einen Blick erhaschen konnte oder wie ich ihn mir während meiner Reise um die Welt vorgestellt habe“.

Faces & Places ist der nächste logische Schritt dieser andauernden musikalischen Suche. „Ich wollte eine Aufnahme im Stil von Dialects machen“, sagt Zawinul, „weil ich in den letzten Jahren Gelegenheit hatte, Orte zu bereisen, an denen ich noch nie zuvor war, wie Neukaledonien, Tunesien, Georgien und Russland. Meine musikalischen Motive drehen sich mehr oder weniger darum, zu reisen, etwas von der Welt zu sehen und dann zu versuchen, meine Eindrücke in die Musik einfließen zu lassen“.

Oder wie auch Zawinul selbst sein Eröffnungsstück auf dem Album „The Search“ beschreibt: „Wir reisen um die ganze Welt auf der Suche nach dem, was wir brau­chen, um anschließend nach Hause zu kommen und es zu finden. Um dieses Thema dreht sich das gesamte Album“, sagt Joe. „Und es ist wirklich so. Man zieht als junger Mensch hinaus in die Welt, um etwas über das Leben zu lernen und ich bin immer noch da draußen und lerne etwas über das Leben. Es ist das großartigste Thema überhaupt und eine wunderbare Reise“.

Das kraftvolle Album enthält nicht nur das Vorwärtsmoment und den weltum­spann­enden Geist aus Zawinuls Zeit mit Weather Report, sondern auch einen Hauch des alten Wiens in der nostalgischer Ode an seine Heimatstadt,  „Rooftops of Vienna“, in dem im Intro-Teil die Stimme seines Vaters zu hören ist, wie er eine kurze Sprecheinlage zu Zawinuls Akkordeonspiel im Kreise der Familie in vergangenen Tagen gibt.

Der Partygroove bei „All About Simon“, einem Enkel von Joe gewidmeten Stück, ist genauso schwungvoll und mitreißend wie andere großartige rhythmusbetonte Stücke Zawinuls aus jener Zeit wie „Volcano For Hire“ von dem 82er Album Weather Report oder „Carnavalito“ von seiner Solo-Aufnahme Dialects aus dem Jahre 1986 (das auch 1998 noch einmal für das Album World Tour aufgenommen wurde).

Amit Chatterjee gibt in der spannenden „Introduction To Tower Of Silence“ seinen elektrisierend-gefühlvollen Gesang im Karnatak-Stil zum Besten, bevor das gesamte Ensemble einsetzt und die Geschichte eines  Monuments, das noch heute in Bombay steht, in einer beeindruckenden Ode zu einem hypnotischen Klangteppich verwebt.

„The Spirit of Julian C. Adderley” ist eine groovige Hommage an Zawinuls einstigen Mentor.  Der Bassist Etienne Mbappe und der Schlagzeuger Paco Sery erweisen sich hier als unschlagbare Rhythmusgruppe. Die Perry Sisters (die zuvor schon neue Texte für eine Neuaufnahme von Zawinuls Instrumentalhit aus der Cannonball-Ära „Mercy, Mercy, Mercy“ auf der Zawinul Syndicate-Veröffentlichung „The Immigrants“ aus dem Jahre 1988 gesungen haben) verleihen dem Refrain dieses Stückes die gesangliche Farbtupfer.

Die vier Geschwister bilden auch den Background-Chor in der bewegenden Ballade „Familiar To Me“, einer gesungenen Hommage von Richard Page, der zuvor „Shadows And Light“ auf dem Album „The Immigrants“ des Zawinul Syndicate gesungen hatte.

Joe übernimmt auch selbst Gesangsparts (mit Hilfe seines stimmenverändernden Vocoders) zusammen mit der großartigen Sängerin Sabine Kabongo (ehemals Zap Mama) und Richard Bona bei dem sinnlichen Stück „Cafe Andalusia“, benannt nach einem Marktcafé in einem Ort Tunesiens, an dem man Wasserpfeife rauchend und Pfefferminztee trinkend die knisternde Spannung Nordafrikas in sich aufnehmen kann.

Auch die Perry Sisters verströmen wieder grenzenlos Seele auf dem Gospel-inspiriertem  „Good Day“, auf dem starke Tenorsaxophon-Beiträge von Bobby Malach zu hören sind.

Die Vokalistin Maria João taucht das exotische „Barefoot Beauty“ in eine verführerische Stimmung.

Nach dem nostalgischen Intro wird mit „Rooftops of Vienna“ ein ebenso mitreißender Groove losgetreten, der von Paco Serys unnachahmlichen Schlagzeugspiel, Alex Acuñas Perkussionsarbeit und Zawinuls mit tiefen Tönen angelegten und von vielen Synkopen durchsetzten Keyboard-Basslinien unterstrichen wird.

In seinem zweiteiligen Opus „Borges Buenos Aires“ zollt Zawinul dem großen argentinischen Schriftsteller Louis Borges Tribut. Teil 1 enthält ein paar großartige Grooves  des Bassisten Mbappe und des Schlagzeugers Sery, der Rhythmusgruppe auf Salif Keitas Aufnahme Amen aus dem Jahre 1991, die von Joe produziert wurde. „Das war, als ich Etienne kennen gelernt habe“, sagt Zawinul über den Bassisten aus Kamerun, der kürzlich zur Tourneeband dazugestoßen ist. „Wir arbeiteten gerade in Paris an Salifs Album und ich jamte einfach mit den beiden Jungs. Schon damals habe ich mir gesagt, die Jungs spielen mal in meiner Band“. Es hatte etwas Magisches an sich, wie wir an jenem Tag zusammenspielten. Wir waren rhythmisch so eng zusammen, dass keiner etwas zu sagen brauchte, es lief alles von ganz allein“ (Sery wurde wenige Jahre später Mitglied bei Zawinul Syndicate und ist zu hören auf dem 96er-Werk „My People“ und der 98er World Tour). Mbappe, der auch auf Teil 2 des für Borges gewidmeten Stückes spielt (live aufgenommen in Paris mit dem Schlagzeuger Nathaniel Townsley, dem Gitarristen Chatterjee und dem Perkussionisten Manolo Badrena, der führendes Bandmitglied in der Weather Report-Besetzung Mitte der siebziger Jahre war), zeigt seine einfühlsame Gesangskunst in einem dramatischen und bewegenden Duett mit Zawinul in „Siseya“.

Das Album schließt mit  dem feurigen „East 12th Street Band“, einer Ode an Joes ehemaliges Zuhause in New York City. Hier zeigt er noch einmal, wofür er bekannt ist, indem er ausgedehnt sein virtuoses Keyboardspiel über einen von Bona, Sery und Acuña gelegten Killergroove legt.

Faces & Places ist ein kraftvolles, leidenschaftliches Werk und sicherlich bis heute eine von Zawinuls belebendsten und erfüllendsten Arbeiten. „Viele Sachen kamen bei diesem Projekt einfach zusammen“, sagt Joe. „Musiker wie Richard Bona, Zakir Hussain und Sabine Kabongo hatten gerade zufällig Zeit, als wir die Aufnahmen machten und jeder fügte sich, wie die Räder in einem Uhrwerk, einer nach dem anderen ein. Natürlich kann ich auch meine Standardbesetzung gar nicht genug loben. Sie sind alle großartige und enthusiastische Musiker. Es war mir eine Freude, mit ihnen zu arbeiten und wir werden viel Spaß haben, wenn wir unsere neue Musik dem Publikum vorspielen“.

 

Persönliche Anmerkungen Zawinuls zu den Titeln auf Faces & Places:

„Tower Of Silence“ – Es handelt sich um eine Sekte in Indien, deren Anhänger Sudras genannt werden. Diese Menschen stehen im Kasten-System eine Stufe über den Unberührbaren. Es ist ihnen jedoch erlaubt, als Lehrer zu arbeiten. Stirbt einer von ihnen, so werden alle Verwandten zusammengerufen, die Leiche wird in ein Gewand gehüllt und oben auf die Spitze des Tower of Silence (Turms der Ruhe) gelegt. Dann werden die Glocken geläutet und die Leiche wird den Geiern überlassen. Dann werden die Überreste mit Blumen bedeckt, verbrannt und die Asche wird in den Ganges gestreut. Besonders wunderbar und bezeichnend finde ich hierbei, dass sie der Ansicht sind, nichts sollte verschwendet werden. Wir kommen aus dem Nichts, wir gehen ins Nichts. Durch dieses Ritual am Tower Of Silence wird sogar die Erde noch fruchtbar gemacht. Es handelt sich hierbei um eine Art Recyclingverfahren und ich mag die Idee, dass nichts verschwendet werden sollte. Und was besonders interessant ist: nachdem wir das Stück mit Zakir Hussain an den Tablas aufgenommen haben, erzählte ich ihm etwas über den Hintergrund zu dem Songtitel und er sagte nur „Weißt Du was, Joe, das ist so unglaublich komisch. Jeden Morgen mache ich das Fenster auf und schaue raus, und was glaubst Du, was ich jeden Morgen sehe – den Tower Of Silence!“ Er lebt genau gegenüber dieses Denkmals in Bombay. Also passt doch bei diesem Stück irgendwie alles sehr gut zusammen.

„The Spirit of Julian C. Adderley” – Er war einer meiner Lieblingsmenschen und         -musiker aller Zeiten. Für mich war Julian Adderley ein guter Freund. Er stand mir zur Seite, als ich heiratete. Wir spielten und tourten neuneinhalb Jahre zusammen. Das war für mich eine tolle Zeit in meinem Leben. Für mich wird er immer ein Gigant, ein Phänomen sein. Er war ein Straßenjunge, aber gleichzeitig sehr gebildet. Und er glaubte wirklich an Jesse Jackson und dieses alte Hilfsprogramm namens „Operation Breadbasket“, das es in Chicago gab. Cannon kam auch von der Kirchenmusik und deswegen habe ich die Perry Sisters zu seiner Musik singen lassen. Wenn Cannon Musik schrieb und spielte, dann bewegte es sich immer auf dieser dünnen Linie zwischen Intellektualität und dem Leben auf der Straße. Ich wollte diese beiden Qualitäten bei diesem Stück verbinden. Und es ist gut geworden. Cannon hätte es gefallen.

„Familiar To Me“ – Es dreht sich um das Gefühl des Nachhausekommens. Ich wollte es zuerst als Instrumentalstück spielen, habe mich aber dann entschieden, mich mit Richard Page in Verbindung zu setzen. Er hatte auf dem ersten Zawinul Syndicate-Album den Text für „Shadow and Light“ (The Immigrants von 1988) geschrieben. Ich mag seine Art zu schreiben und seine Stimme. Das Stück hat nichts speziell mit mir zu tun, sondern wendet sich an alle Menschen allgemein. Ein Mann und eine Frau verlieben sich, sie heiraten, gründen eine Familie und dann fragen sie sich „Ist das schon alles gewesen?“ Sie leben sich auseinander, nur um irgendwann festzustellen, dass der Partner immer noch das Beste war, was sie in ihrem Leben jemals hatten und erinnern sich an die alten Plätze, die sie zusammen besucht haben ... Alles kommt mir so bekannt vor. Wie gesagt, es handelt davon, dass man auszieht in die Welt, weil man etwas lernen muss und sehen muss, wie alles so funktioniert, nur um heimzukommen und es letztendlich zu finden. Ich habe dieses Stück vor 30 Jahren geschrieben und nie aufgenommen. Von dieser Art Material habe ich eine Menge. Und gerade mit diesem Stück bin ich sehr glücklich.

„Café Andalusia“ – Der Name eines Ortes in Tunesien, den wir besucht haben. Als wir in Tunis am Flughafen ankamen, war es unglaublich heiß und alles war ein bisschen desolat. Nachdem wir ins Hotel eingecheckt hatten, fragten wir, wo wir die beste Wasserpfeife des Orts rauchen könnten und man erzählte uns von diesem Café Andalusia. Wir gingen hin und rauchten diesen sonderbaren, nassen Tabak in den Wasserpfeifen und tranken diesen unglaublichen Mandeltee mit Honig und Pfefferminze. Mann, dieser Ort hatte eine solche Atmosphäre. Und die Atmosphäre an jenem Tag habe ich in diesem Stück zu vermitteln versucht.

„Good Day“ – Eines der ersten Stücke, die ich für das Album improvisiert habe. Es war eine sehr schwierige Melodie. Letztes Jahr, als wir auf Tournee gingen, habe ich versucht, es mit der Band zu spielen und sofort, nachdem wir es zu Spielen angefangen hatten, brach ich es ab, weil es sich einfach nicht richtig anfühlte. Aber dann habe ich wieder angefangen, daran zu arbeiten, während mein neues Studio gebaut wurde. Ich experimentierte ein bisschen mit einer anderen Melodie herum und rief Bobby Malach an, der ins Studio kam und etwas Tolles daraus machte. Ich fand auch, dass das Instrument allein nicht stark genug war, also habe ich die Perry Sisters dazu geholt, um es ein bisschen aufzupeppen. Und ... peng! Sie haben es geschafft! Man kann nicht einfach eine Gruppe von Studiosängern anstellen und dann so ein Ergebnis erhalten. Die Perry Sisters singen seit ihrer frühesten Kindheit zusammen und die Mischung, die sie zusammen erzielen, ist ... bezaubernd. Damit hatte das Stück also schon etwas gospelartiges und ich wollte das für meinen Solo-Teil absolut vermeiden, also habe ich dieses lustige Sample genommen, zu dem ich solo singe. So kann ich die Gesänge herausnehmen und wieder reinholen, wann ich will. Auch mein Sohn (und Koproduzent) Ivan hat beim Arrangement meiner Keyboards zu diesem Stück hervorragende Arbeit geleistet.

„Barefoot Beauty“ – Maria João ist eine wirklich gute Sängerin und wenn sie mit uns arbeitet, was oft der Fall ist, ist sie immer barfuß. Und unser großartiger Cover-Designer Joachim Oster brachte eine Photographie eines Zirkusartisten, die er gefunden hatte. Darauf ist ein junges, barfüßiges Mädchen zu sehen, die der jungen Maria ähnlich sieht. Sie schläft auf einem Elefanten, der am Boden auf der Seite liegt. Es ist ein sehr beeindruckendes, interessantes Photo. Der Elefant ist wach ... man kann sehen, dass der Elefant die Augen offen hat, aber er will sich nicht bewegen, damit er das Mädchen nicht aufweckt. Und als ich beim Arrangement für diesen Song feststellte, dass Oster dieses spezielle Bild verwenden wollte, begann ich durch bestimmte Noten auf die Töne anzuspielen, die ein Elefant macht, obwohl das kaum zu merken ist. Paco sollte sich bei diesem Stück auch einmal richtig ausbreiten. Er spielt auf der ganzen Aufnahme so unglaublich gut und ich wollte sein großes Talent hier voll zur Geltung kommen lassen.

„Rooftops of Vienna“ – Bei diesem Stück spricht mein Vater am Anfang. Die Aufnahme stammt von einem Gespräch, das wir damals in dem Dorf führten, wo ich mit meiner Familie zusammen war. Wir hatten einen Geburtstag mit allen Verwandten gefeiert und ich spielte auf einem kleinen Akkordeon und sang dazu. Davon ist ein bisschen im Intro zu hören. Auf der Aufnahme sind vier Generationen versammelt – mein Vater, ich, mein Sohn Ivan und sein kleiner Sohn Simon.

Das Stück handelt von dem Ort, an dem ich immer wohne, wenn ich in Wien bin. Seit 12 Jahren wohne ich weit oben im Hilton Hotel. Es ist ein unglaubliches Penthouse mit einer Terrasse, die um das ganze Penthouse herumführt. Von dieser Terrasse aus kann ich über alle Dächer in meiner Nachbarschaft sehen. Vor drei Jahren habe ich dort die Ferien mit meiner Frau verbracht und hatte meinen Laptop dabei und improvisierte den Song so wie er heute ist. Man kann sicherlich sagen, dass hier die typisch österreichische, speziell wienerische Mentalität musikalisch zum Ausdruck kommt. Ich wollte einfach ein wenig Tanz-Feeling damit schaffen.

„Borges Buenos Aires“ – Borges ist der größte argentinische Schriftsteller. Ich lese sein Buch „Labyrinth“ schon seit drei Jahren und habe noch immer keine Ahnung, wovon er in dem Buch eigentlich spricht. Er wußte aber wovon er redet... denke ich. Ich mag Buenos Aires. Es ist einer meiner Lieblingsorte auf der Welt. Es ist eine pulsierende Stadt mit einer sehr kultivierten Seite und das Essen ist phantastisch. Und jeder glaubt, er sei etwas Besonderes. Das gefällt mir. Die Menschen sind zwar arm, aber dennoch stolz. Und genau das mag ich. Ich mag keine negative Denkweise. ‚Trete mir positiv gegenüber und hab’ ein bisschen was zu erzählen, dann mag ich Dich. Wenn nicht, habe ich auch nicht viel Zeit für Dich übrig.‘ Wie dem auch sei, ich mag Tango sehr gerne. Ich bin damit aufgewachsen. Als sehr junger Musiker mit noch nicht einmal 20 spielte ich in diesem wunderbaren Orchester. Wir spielten Tanzmusik ... Woody Herman, Stan Kenton und sogar Sachen von Dizzy Gillespie. An den Nachmittagen gaben wir immer Konzerte, bei denen wir die Original-Arrangements des argentinischen Tangos spielten. Ich stellte fest, dass ich die Musik liebte. Auf diesem Stück wollte ich also meinen Respekt und meine Sympathie für dieses Land und seine Menschen ausdrücken.

„Siseya“ – Dieses Stück spiele ich seit langer Zeit als Intro. Als Etienne zur Band kam und mir erzählte, er könnte singen, sagte ich: „Ja, verdammt noch mal, dann lass’ uns doch singen!“ Und er singt sich wirklich die Seele aus dem Leib. Die Harmonien sind schön und er macht seine Sache gut.

„East 12th Street Band“ – Dieses Stück handelt vom Ende meiner zweiten Zeit in New York. Es ist eine nette, kleine improvisierte Linie. Und dann spielt die Band so toll. Es ist wild, aber nicht wild drauflos gespielt. Eher sorgenfrei als sorglos.

Verfasser: Bill Milkowski